„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – eine philosophische Betrachtung

Dieses Zitat brachte die Bild Zeitung vor einigen Tagen als Aufmacher, nach einem Gespräch mit dem neuen Bundesinnenminister und ehemaligen Ministerpräseitenden von Bayern, Horst Seehofer.

Obwohl das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen wurde und ich gerne den vollständigen Wortlaut wiedergeben möchte („Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben.“), lies dieser Satz die Gemüter in unserem Land hochkochen und viele Politiker fühlten sich genötigt, ebenso einen Kommentar abgeben zu müssen.

Die Frage, ob man Sätze aus dem Zusammenhang reißen sollte, um damit Presse zu machen, müssen sich die Nachrichtenagenturen selbst beantworten. Aus einem ethischen Standpunkt betrachtet, ist das eher bedenklich und dient der Stimmungsmache.

Philosophieren wir etwas über die Worte von Herrn Seehofer. Ihm ging es um eine Abgrenzung aus einer geschichtlichen Perspektive. Darüber können wir nun spekulieren und streiten, wie es schon seit Tagen in den deutschen Medien) der Fall ist.

Aber richten wir doch das Augenmerk auf den Satz selbst und stellen wir uns die Frage, ober der Islam zu Deutschland gehören kann. Was genau soll das bedeuten?

Religion prägt die Gesellschaft

Rein geschichtlich muss man die Prägung der Gesellschaft durch das Christentum sicherlich bestätigen. Leider wird dabei auch das Judentum vergessen, welches in den letzten Jahrhunderten ebenso die Gesellschaft in Deutschland (zumindest bis zu dem unrühmlichen Ende 1933) geprägt hat. Aber hier sind wir schon bei einem wichtigen Punkt: Der Islam hat die Gesellschaft nicht geprägt. Damals nicht, wurde inzwischen aber ein fester Bestandteil der Gesellschaft durch die rund 4 Mio. Muslime in Deutschland. Zumindest muss man also zustimmen, dass er ein Teil der Gesellschaft in Deutschland im Jahr 2018 ist. Wie aber auch weitere Religionen, sowie „Nicht-Religionsgemeinschaften“, Sekten und freigläubige Vereine, und noch viele Weitere. Die „Dazugehörigkeit“ lässt sich also ebenso bestätigen, wie die eines Fußballvereins oder eines Kegelvereins.

Religion und Staat

Doch Seehofer sprach nicht von der Gesellschaft, sondern von „Deutschland“, also dem Land, dem Staat. Nun muss man berechtigt die Frage stellen, ob eine Religion (welche es auch immer sein mag!) zu einem Staat gehören kann. Dies kann eigentlich in einer säkularen Gesellschaft, wie die in Deutschland, nicht der Fall sein. In unserer Gesellschaft haben wir seit dem Zeitalter der Aufklärung in einem noch andauernden Prozess die Trennung von Staat und Religion. Das Ganze entstand aus dem Prozess der Säkularisation, der Ablösung der weltlichen Macht religiöser Institutionen. Noch immer wurde dieser Prozess nicht ausreichend vollzogen. Kirchen haben noch einen großen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Alleine in den Schulen ist nach wie vor ein Religionsunterricht im Bildungsauftrag des Staates enthalten, auch wenn die Anzahl an Teilnehmern des Ethikunterrichtes in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Als ich selbst vor über 20 Jahren diesen Weg beschritt, mussten erst Lehrer für das neue Unterrichtsfach gefunden werden und selbst meine Eltern mussten zustimmen, dass ich den Religionsunterricht verlassen konnte.

Gerade in Zeiten mit einem wachsenden Anteil von Populisten, welche sich gerne auf das Christentum berufen, um gegen den Islam zu wettern, müssen wir dem entgegenhalten und sagen, dass KEINE Religion zum deutschen Staat gehört (gehören darf), und generell nicht gehören sollte.

Die einzig wahre Religion

Wer sagt denn, welche die „richtige“ Religion sei? Wie schon Anderson in den Alten Pflichten, die Religion in der alle Menschen übereinstimmen? Ist die eine Religion dann mehr wert als die andere? Und wie bemessen wir den Stellenwert? Schwierig…

Was wäre denn die logische Konsequenz aus dieser Idee, wenn wir sie weiterspinnen? Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Wäre korrekt, wenn auch populistisch und nicht vollständig. Denn der Richtigkeit halber, müsste man ergänzen: „[…] Aber ebenso wenig das Christentum, das Judentum, der Hinduismus und, und, und.“ Fassen wir zusammen, dass in einem säkularen Staat KEINE Religion zum Staat gehört und Sätze wie beim Amtseid des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin oder der Minister müssten angepasst werden. Natürlich erfolgte dies bereits, da der Eid auch ohne eine religiöse Beteuerung abgeleistet werden kann.

(„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“). Schließlich muss ich meinen Eid auch erfüllen, wenn mir „Gott“ wahrlich nicht helfen kann/mag/möchte. Es liegt an dem einzelnen Menschen, der dieses Amt ausfüllt, mit seinem Wort und seinen Taten dafür geradezustehen. Das Gewissen und die Moral regeln das Handeln. Dies wiederum sollte bei jedem Politiker ausreichend ausgeprägt sein. Zumindest habe ich diesen Anspruch an meine sogenannten Volksvertreter.

Fazit

Ich möchte kurz erwähnen, dass ich weder Populist bin, noch mich gerne in dieser Ecke sehe. Ich bin ebenso kein Verfechter einer Religion und bekennender Atheist. Daher finde ich diese Diskussion um so überflüssiger, da ich eben davon überzeugt bin, dass der Staat und die Religion, welche durchaus zur Gesellschaft gehört, getrennt werden müssen. Daher sehe ich die Aussage von Seehofer aus dem Blickwinkel, dass sie nicht vollständig ist. „Religion gehört nicht zum Staat Deutschland“ wäre sinnvoller. Aber dies ist noch ein weiter Weg…

Ein Gedanke zu “„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – eine philosophische Betrachtung

  1. Andreas Weickhmann

    Ich stimme dem zu. Inbesondere sei darauf hingeweisen, dass es dem Staat untersagt ist, überhaupt irgendeine Aussage zur Religion zu machen. Artikel 4 des Grundgesetzes sagt ganz deutlich, dass der Staat sich da heraus zu halten hat. Seehofer verletzt eklatant diese Neutralitätspflicht, indem er als Innenminister sich überhaupt über Religion äußert. Ich halte das für eine schwere Verfassungsverletzung. Seehofer ist schon deswegen seines Amtes nicht würdig. Vielleicht sollte er sogar aus seinem Amt entfernt werden.

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