Am 06. Oktober 2018 fand im Logenhaus der Bauhütte „Minerva“ in Leipzig ein spannendes Zukunftsgespräch statt, in dessen Rahmen verschiedene aktuelle und substanzielle Themen zur Zukunft der Freimaurerei diskutiert und vertieft wurden. Bei allen Beiträgen ging es um die Bedeutung und Weiterentwicklung dieser Themen für die Freimaurerei. Der Themenraster wurde von Br.: Helmut Reinalter entwickelt, der auch im Anschluss an die Präsentation seines im Salier-Verlag erschienenen Buches über „ Die Zukunft der Freimaurerei“ auch das Gespräch leitete.
In Vorbereitung wurden die Teilnehmer gebeten, sich zu den vorgegebenen Themen Gedanken zu machen. Diese möchte ich mit euch in den kommenden Wochen gern teilen:
Freimaurerische Zukunftsgespräche: Werte und Ziele der Freimaurerei
Betrachtet man die Freimaurerei als das, was sie ist, nämlich einen ethischen Bund, so findet man in ihr die Werte der Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit und Humanität wieder. Die Werte sind selbst nach 300 Jahren, nach der „offiziellen“ Gründung der Freimaurerei, aktueller denn je und werden den Brüdern vermittelt. Sie müssen in einer Aufklärung 2.0 weitergetragen werden (siehe Essay: Aufklärung 2.0), damit sie den radikalen Strömungen der letzten Jahre entgegenstehen können.
Gehen wir hier auf die 10 Ziele aus dem Manifest des evolutionären Humanismus ein, welches von Michael Schmidt-Salomon im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung geschrieben wurde, so werden wir feststellen, dass die Ideale nicht exklusiv für den Bund der Freimaurer stehen. Sie kommen auch in den sogenannten Service Clubs (wie die Lions oder der Rotary Club) vor und aber auch im evolutionären Humanismus. (https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_Zehn_Gebote#Die_zehn_Angebote_des_evolution%C3%A4ren_Humanismus)
- Diene weder fremden noch heimischen „Göttern“, sondern dem großen Ideal der Ethik, das Leid in der Welt zu mindern!
- Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten!
- Habe keine Angst vor Autoritäten, sondern den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
- Du sollst nicht lügen, betrügen, stehlen, töten – es sei denn, es gibt im Notfall keine anderen Möglichkeiten, die Ideale der Humanität durchzusetzen!
- Befreie dich von der Unart des Moralisierens!
- Immunisiere dich nicht gegen Kritik! Ehrliche Kritik ist ein Geschenk, das du nicht abweisen solltest.
- Sei dir deiner Sache nicht allzu sicher! Was uns heute als richtig erscheint, kann morgen überholt sein! Zweifle aber auch am Zweifel!
- Überwinde die Neigung zur Traditionsblindheit, indem du dich gründlich nach allen Seiten hin informierst, bevor du eine Entscheidung triffst!
- Genieße dein Leben, denn dir ist höchstwahrscheinlich nur dieses eine gegeben!
- Stelle dein Leben in den Dienst einer „größeren Sache“, werde Teil der Tradition derer, die die Welt zu einem besseren, lebenswerteren Ort machen woll(t)en!
Diese 10 Ziele geben im Kern auch die Ideale der Freimaurerei wieder. Wir müssen unsere Werte immer wieder einer strengen Prüfung unterziehen, denn sie unterliegen dem Zeitgeist. Betrachten wir beispielsweise die Toleranz: Was einmal intolerabel schien, kann heutzutage schon anders betrachtet werden. War es vor 40 Jahren noch undenkbar, dass eine nackte Brust im Abendprogramm zu sehen war, so können wir das heute schon zur Mittagszeit sehen. Galt noch vor 50 Jahren Homosexualität als Krankheit und war unter Strafe gestellt, so leben wir heute in einer scheinbar toleranten Gesellschaft.
Das ist der Zeitgeist, die moralische, religiöse und auch ethische Entwicklung. Aber sind es nicht gerade auch die Werte, die durch ihre Stabilität, den fortwährenden Wandeln begleiten? Alle diese Werte gelten unabhängig von politischen Vorkommnissen, gesellschaftlicher, politischer und moralischer Evolution. Nicht nur, denn Werte unterliegen den Wandel und dürfen nicht statisch sein. Auch wir Freimaurer müssen dies für uns verinnerlichen. Das Bedienen unseres Verstandes, das „Sapere Aude“ darf nicht verloren gehen. Wir müssen versuchen, als eine feste Säule dieser ethischen und auch moralischen Werte zu gelten und wahrgenommen zu werden. Dazu müssen wir die moderne Freimaurerei aber reformieren und zu einem offenen und gerade für jüngere Menschen attraktiven Bund ethischer Menschen machen. Weg von den Geistern der Tempelritter, Weg von den Mythen des Geheimen Wissen und hin zu Tatsachen und auf Wissenschaft belegten Fakten. Wir müssen raus aus der oftmals übertriebenen Deckung und direkt auf freie Menschen von gutem Ruf zugehen und sie für unsere Gemeinschaft versuchen zu begeistern. Ohne Mystik und Hokus Pokus – JUST THE FACTS, NO FICTION!
Denn die Werte, welche die Freimaurerei seit nun mehr 300 Jahren begleiten, sind erstrebenswerte Ziele und Ideale, auch in der heutigen Zeit und auch für die nachkommenden Generationen. Es sind Werte die beständig sind, in unbeständigen Zeiten. Sie sind 300 Jahre alt, aber zu jeder Zeit immer aktuell und angebracht. Sie dienen als Richtschnur und Rahmen für nahezu jede Situation des Lebens.