Memento Mori und Carpe Diem in 24 Zoll

Liebe Leser,

schon lange spiele ich mit dem Gedanken, diese Webseite für die Gedanken und Ideen weiterer Autoren zu öffnen, um mehreren Brüdern und Schwestern die Möglichkeit zu geben, ihre Gedanken und Texte hier zu veröffentlichen. Falls Interesse besteht, so kann man sich über den Kontakt bitte melden.

Wieder einmal möchte ich einen Artikel von einem Freund vorstellen. Mein Bruder A.P. (mir persönlich bekannt) von der Loge zu den Drei Pfeiler i.O. Nürnberg Nr. 164) stellt uns seine Gedanken in einem kurzen Artikel vor.

Lasst euch überraschen…

 

Memento Mori und Carpe Diem in 24 Zoll

Das freimaurerische Ritual spricht alle Lebensbereiche, Lebensabschnitte, Verhaltensweisen und Beziehungsgefüge des menschlichen Daseins an und, für viele aber nicht alle Freimaurer, auch darüber hinaus. Darin liegt seine zeitlose Stärke. Eine weitere Stärke ist, dass die Symbole und rituellen Handlungen in ihrer Gesamtheit selbst ein ganz zentrales Werkzeug sind. Mit ihrer Hilfe verfügen Freimaurer weltweit über eine gemeinsame Ebene und Sprache, auf der man sich über die so unterschiedlichen Erfahrungen, Eindrücke und Gedanken austauschen können, in der sie sich, Unterschiede und den eigenen Lebenswandel verständlich machen können. Es geht der Freimaurerei also eben nicht um „symbolisches Arbeiten“, was man ja eher in so manch anderem Kontext erleben darf, sondern um die Arbeit mit Symbolen und den weltweiten Austausch über diese Arbeit an sich selbst, dem Verhältnis zu unserer Umwelt und der Gesellschaft als Ganzes durch eben jene Symbole.

Was bedeutet das Symbol oder symbolische Werkzeug für mich im Alltag? Habe ich mir eine Methode zurecht gelegt, damit verbundene Fragen (oder Aufgaben?) in meinen Tagesablauf, in die Woche zu integrieren? Was sind Schwierigkeiten, Rückschläge, besonders schöne Erfolgsmomente? Was bedeutet mir das Symbol in meinem Leben? Wo hilft mir der brüderliche Austausch? Ja, darüber sprechen Freimaurer (auch).

Eines dieser Symbole ist der vierundzwanzigzöllign Maßstab, ein Symbol für die Zeit, genauer: die Zeit, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Zunächst ist ein Maßstab keine Uhr. Er steht für eine andere Form von Zeitverständnis und Zeiterleben. Während die Uhr zyklisch ist, ist der Maßstab linear. Die Uhr repräsentiert wie der „Ewige Kalender“ die von uns unabhängige Zeit. Wie der Maßstab ist aber unsere Wanderung durch das Leben endlich, während der Sonnenlauf sich weiter dreht. Irgendwann halten wir im linearen Voranschreiten in der Zeit alle ein letztes Mal an. Und so oft wir an bekannten Punkten wieder in den großen Zyklen der Natur oder der menschlichen Gesellschaft anzukommen meinen, so sehr verändern wir uns auf unserem linearen Weg und erleben diese kein zweites Mal mit den gleichen Augen. So gesehen kann der 24zöllige Maßstab als ein erstes Memento Mori innerhalb der Freimaurerei verstanden werden: „Teile deine Zeit mit Weisheit ein, denn sie ist endlich“.

Hans-Hermann Höhmann hat einmal drei verschiedene freimaurerische „Symbol- und Ritualwelten“ identifiziert: die des Lichts, der Wanderung und der Arbeit. Während die Endlichkeit unserer eigenen Wanderung uns bereits zu einer sinnvollen Nutzung ermahnt, ist der Maßstab im Zusammenspiel mit den anderen Werkzeugen ein Symbol dafür, unsere Zeit als denkender, am Selbst-Erkennen und der Fortentwicklung der eigenen Lebensführung arbeitender Mensch einzuteilen. Dabei sollen unserer Pflichten gegenüber uns selbst, unserer Familie, dem Beruf, der Loge und unserer Umwelt handlungsleitend sein. Die Endlichkeit des Maßstabes hält uns zudem zur Mäßigung, zum „Maß halten“ an; und dazu, den eigenen Eifer mit planerischer Beharrlichkeit zu untermauern, wenn er nicht vergebens sein will: „Habe den Mut und die Beharrlichkeit, um deine Zeit mit Weisheit zu nutzen, denn sie ist endlich“.