Am 06. Oktober 2018 fand im Logenhaus der Bauhütte „Minerva“ in Leipzig ein spannendes Zukunftsgespräch statt, in dessen Rahmen verschiedene aktuelle und substanzielle Themen zur Zukunft der Freimaurerei diskutiert und vertieft wurden. Bei allen Beiträgen ging es um die Bedeutung und Weiterentwicklung dieser Themen für die Freimaurerei. Der Themenraster wurde von Br.: Helmut Reinalter entwickelt, der auch im Anschluss an die Präsentation seines im Salier-Verlag erschienenen Buches über „ Die Zukunft der Freimaurerei“ auch das Gespräch leitete.
In Vorbereitung wurden die Teilnehmer gebeten, sich zu den vorgegebenen Themen Gedanken zu machen. Diese möchte ich mit euch in den kommenden Wochen gern teilen:
Freimaurerische Zukunftsgespräche: Ritualisitik und Symbolik – Ist eine Reformulierung notwendig?
Oft wird über die Symbolik innerhalb der Rituale diskutiert. Dabei stoßen die Brüder häufig an ihre persönlichen Grenzen und diese Diskussionen entfachen eher einen Streit, anstelle des brüderlichen Gespräches.
Von vielen, oftmals sehr gläubigen Brüdern werden gerade die Symbolik und die Ritualisitik mit einer Spiritualität gleichgesetzt. Ich denke nicht, dass Spiritualität hier der passende Begriff ist.
„Spiritualität bedeutet im weitesten Sinne „Geistigkeit“ und bezeichnet eine auf Geistiges aller Art oder im engeren Sinn auf Geistliches in spezifisch religiösem Sinn ausgerichtete Haltung. Spiritualität im spezifisch religiösen Sinn steht für die Vorstellung einer geistigen Verbindung zum Transzendenten, dem Jenseits oder der Unendlichkeit.“ (aus https://de.wikipedia.org/wiki/Spiritualit%C3%A4t).
Eben weil wir vor allem ein ethischer Bund sind, müssen wir anfangen uns endlich von den Mysterienbünden zu lösen. Das Ritual bringt uns während des Erlebens, insofern wir uns völlig auf dieses einlassen und die praktizierenden Brüder es auch tragend vorbringen können, in eine meditative Stimmung. Wir sind hier offen für die Schönheit der Musik und den Worten des Br. Redners. Allerdings was bringt diese ganze Idee, wenn die Tempelarbeit eher zu einem Theaterspiel verkommt, wenn die Brüder den Text nur stupide ablesen und keine Emotionen verbreiten? Dann kommen wir wieder zum typischen Verein, der ein Schauspiel bietet. Sich auf das Ritual einlassen, sich angemessen auf diese Arbeit vorbereiten, vor allem auch mit der angemessenen Kleidung. Hier kann und darf es nicht sein, dass gerade neue und jüngere Brüder eine gewisse Lässigkeit in den Tempel bringen und eher so ausschauen, als ob sie in der Eckkneipe sitzen würden. Sich Einlassen auf das Ritual heißt, zu erleben, die Arbeit zusammen in der Bruder- oder Schwesterkette zu begehen und hin- sowie einzutauchen, in seinen eigenen Geist. Erst dann kann man sich fallen lassen, den Geist öffnen für die Ideen der Maurerei, welche durch die Symbole und Zeichen seit Jahrhunderten transportiert werden. Erst dann lassen sich die Worte der vorgetragenen Zeichnung erfassen und manifestieren einen Gedanken in einem Selbst.
Was wir jedoch nicht dürfen, ist das bereits erwähnte hinabgleiten in ein Schauspiel, in dem wir hier eine übertriebene Spiritualität einbringen, wie wir es aus Gottesdiensten gewohnt sind. Wir sind wie anfangs erwähnt ein ethischer Bund und keinerlei Religion. Daher müssen wir diesen religiösen Transzendenzbezug weglassen, weil er zum einen nicht der Idee der königlichen Kunst entspricht und zum anderen ein völlig falsches Bild einer Pseudo-Religion erschafft. Der meditative Charakter muss im Vordergrund stehen, denn so können wir die nötigen Werkzeuge, zur Arbeit an unserem eigenen rauen Stein und somit am Tempelbau, erfassen.
Eine Reform der Rituale sowie der Symbolik hin zu mehr Offenheit, zeitgenössischem Geist und damit weg von der spirituellen Tradition muss auf Dauer die Absicht der Freimaurerei sein. Langsam, aber stetig. Reformfreimaurerei, wie es sie bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts durch Freimaurerbünde wie den FZAS (Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne) gegeben hat, hatten dies bereits in ihrer Proklamation formuliert und ausgesprochen.
Natürlich berufen sich meine Vorfahren auf die „Alten Pflichten“ von Anderson („Der geistige Kern der Freimaurerei ist die Religion in der alle Menschen guten Willens übereinstimmen, die Religion der Menschlichkeit, Mitmenschentum“) jedoch wollten sie einige, für sie damals wichtige Reformen durchsetzen und verfassten hierzu einige „programmatische Erklärungen des Reformfreimaurerbundes“ im Jahre 1930:
- Fortfall des Symbols „A.B.a.W.“: denn es enthält deutlich die Idee eines persönlichen Gottes, die von der großen Mehrzahl der freien, denkenden, vorwärtsdrängenden Menschen als Grundlage ihrer Weltanschauung und Sittlichkeit aufgegeben ist. Soll die Freimaurerei alle Menschen guten Willens am Menschheitsbau vereinigen, so darf sie sich nicht zur Vertretung einer Form der Weltanschauung machen. Die Loslösung von dieser Formel erst bedeutet den Eintritt in den neuen geistigen Raum, in dem sich alle Menschen zur Neugestaltung der menschlichen Gemeinschaft zusammenfinden können.
- Die Preisgabe der Bibel als erstes Licht der Freimaurerei: denn wenn die Bibel auch ein ehrwürdiges Werk ist, so gilt sie den meisten Menschen, die am Menschenbau guten Willens arbeiten, nicht mehr als Offenbarung des A.B.a.W., sondern als Menschwerk, das nicht mehr die unantastbare unerlässliche Grundlage lebensgestaltender Sittlichkeit bleiben kann.
Nun würde man sicherlich die Frage stellen, ob solch ein Ritual, also ohne diese beiden Bezüge, noch tragfähig und damit auch den nötigen „Geiste“ während einer Tempelarbeit aufkommen lässt. Oder würde die Stimmung eine andere sein? Im Falle des FZAS ist dessen Ritual bis heute erhalten geblieben und wird in meiner Mutterloge, der Loge zur Wahrheit i.O. Nürnberg, immer noch fast unverändert verwendet. Daher mein deutliches „JA“ zu Reformen in der Ritualistik.